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Wenn der Rechtsstaat „verwertet“ wird, gibt er sich auf

By 19. Januar 2015März 14th, 2022No Comments

Die mühsam erworbene Errungenschaft des liberalen Rechtsstaats wird wieder preisgegeben, wenn der Staat sich als Wertegemeinschaft versteht, auch wenn es eine „liberale“ Wertegemeinschaft ist, die Liberalismus als Weltanschauung statt als Rechtsordnung versteht. […] Dennoch versucht man in Deutschland – sehr im Unterschied z.B. zur Schweiz – eine öffentliche Diskussion um die Frage der Zuwanderung von Ausländern dadurch zu verhindern, dass restriktive Positionen oder gar ein ethnisch-kulturelles Selbstverständnis der Nation als unanständig tabuisiert und mit den Gewalttätigkeiten gegen Ausländer in Beziehung gebracht werden. Das Selbstverständnis eines Staates soll nicht dem Risiko eines demokratischen Diskurses ausgeliefert werden. Dass so etwas in der politischen Auseinandersetzung geschieht, muss man hinnehmen. Gefahr ist nicht in Verzug, wenn Demonstrationen „gegen rechts“ stattfinden. Gefahr ist in Verzug, wenn der Staat bis hin zum deutschen Bundespräsidenten diese Kundgebungen organisiert oder ihnen höhere Weihen gibt. […] Der Staat als „Bündnis gegen Rechts“- das ist die Wertegemeinschaft anstelle des Staates, und hier müssen die Alarmglocken läuten.

Robert Spaemann: Europa – Wertegemeinschaft oder Rechtsordnung? In: Neue  Züricher Zeitung vom 20.1.2001, abrufbar unter: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/article73LH8-1.456061.