Die Verunsicherung seit der ersten Pisa-Studie hat gewirkt. Deutschland ist nicht mehr stolz auf seine eigene Bildungstradition, sondern schielt ängstlich ins Ausland im Bestreben, sich internationalen Standards anzupassen. Unter der Hand wird das amerikanische Bildungssystem zum Vorbild. […] Warum sollte dieses Land nicht die Stärken des eigenen Bildungssystems ausbauen, sich unter Umständen sogar deutlicher von internationalen Trends oder jedenfalls Trends jenseits des Atlantiks absetzen, um an seinen vormaligen Status einer führenden Bildungsnation, die erst endgültig durch die zwölf Jahre NS-Diktatur zerstört wurde, anzuknüpfen? Die Konturen eines solchen Weges lassen sich benennen: erstens Persönlichkeitsbildung durch Selbstdenken und Schulung in Abstraktion; zweitens Vorrang der Allgemeinbildung vor der Spezialbildung im Sinne einer Vorbereitung auf spezifische Berufsfertigkeiten; drittens gleiche kulturelle Anerkennung unterschiedlicher Bildungswege, insbesondere des Bildungsweges zum Facharbeiter oder zum Akademiker; viertens Hochschätzung der mathematischen, technischen und handwerklichen Kompetenzen, kein akademischer Bildungsdünkel.