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Schwächen der Akzeptanzideologie: Worum es beim Streit um die Pädagogik der Vielfalt eigentlich geht

By 27. Juni 2017März 8th, 2022No Comments

Warum gibt es Streit um neue Sexualerziehungslehrpläne in Zeiten, in denen für junge Generationen per Mausklick Pornographie in einem Ausmaß verfügbar sind, das noch vor einer Generation unvorstellbar war? Müssten nicht eigentlich alle Eltern froh sein, wenn Kindertagestätten und Schulen ihnen diese schwierige Erziehungsaufgabe abnehmen? Es ist erhellend, was eine Vordenkerin der neue „Sexualpädagogik der Vielfalt“ ihren Kritikern vorwirft: „Im Kern geht es um bürgerliche Lebensvorstellungen, die in einer Welt mit schwankendem Boden verteidigt werden sollen“[i]. Damit wird deutlich, dass es um mehr geht als nur um Sexualität. Es geht um eine neue Weltanschauung, die Kindern gegen den Widerstand, vermeintlich altmodischer, „bürgerlicher“ Eltern von klein auf vermittelt werden soll.

Zu diesem Zweck werden in Kindertagesstätten Bilderbücher eingeführt, die nahezu alle denkbaren Facetten des Familienlebens thematisieren.  Ein Beispiel dafür ist „Das große Buch der Familien“ von Mary Hofman und Ros Asquith, das sich an Kindergartenkinder richtet. Sein Leitmotiv ist die „Vielfalt“ der Lebenslagen von Familien, die in Bezug auf fast alle Lebensbereiche illustriert wird. Dabei geht es letztlich darum, dass die sogenannten „Regenbogenfamilien“ gleichgeschlechtlicher Paare Kindern als genauso normal vermittelt werden sollen wie Vater-Mutter-Kind-Familien. Die Familienstruktur ist dabei aber nur ein Thema neben anderen wie Herkunft/Nationalität, Erwerbstätigkeit, Religion, Wohnverhältnisse und anderes mehr. Die vermittelte Botschaft ist, dass Diversität in der Beziehungs- und Familienstruktur ebenso normal sei wie die Vielfalt sonstiger Lebenslagen.  Die Vielfalt der Konstellationen wird illustriert und vermeintlich „wertfrei“ nebeneinandergestellt. Das sieht z. B. so aus: In manchen Familien sind beide Eltern erwerbstätig, in anderen nur ein Elternteil, in anderen Familien hat kein Elternteil Arbeit. Auch Arbeitslosigkeit ist eben eine „Realität“, die „akzeptiert“ werden muss. Manche Familien wohnen in Häusern, andere haben eben kleine Wohnungen.

Besonders deutlich zeigt sich der Zynismus dieser Akzeptanzideologie beim Thema Ernährung. Hier heißt es: In manchen Familien wird meisterhaft gekocht, in anderen gibt es Fertiggerichte. Ob diese „Realität“ für Kinder gesund und wünschenswert ist, bleibt ausgeblendet. Aus Gründen der „Akzeptanz“ dürfte man eigentlich keine ungesunde Ernährung kritisieren, weil man damit Junkfood servierenden Eltern einen „Vorwurf“ machen würde. Allerdings sind die Akzeptanzideologen nicht so konsequent, dass sie gesundheitliche Aufklärung ablehnen. Auch sie befürworten z. B. Rauchverbote. Schon beim Thema veganer Kinderernährung wird es jedoch schwierig. Aufklärung über die erheblichen Gefahren dieser Ernährungsmode für Kleinkinder gilt als „Kampagne“ gegen vegane Eltern, die doch ethisch besonders sensibel und aufgeklärt seien. Wenn es um Lebensweisen geht, die „als „progressiv“ gelten, dann ist „kritisches Bewusstsein“ offenbar nicht mehr gefragt.

Tabus werden besonders dann errichtet, wenn es um das Wohlergehen von Kindern in unterschiedlichen Familienformen geht. Wichtig sei nicht die Familienstruktur, sondern die Qualität der Beziehungen, heißt es beschwichtigend. Dabei hat beides doch miteinander zu tun hat, weil Kinder sichere Bindungen brauchen. Diese Bindungen brauchen aber Zeit und Verlässlichkeit, an denen es in Lebensabschnittspartnerschaften fehlt. Es ist deshalb kein Zufall, dass Kinder aus Kernfamilien häufiger von einer guten Beziehung zu ihrem Vater berichten als Kinder, die mit einem neuen Partner der Mutter zusammenleben[ii].

Das Aufwachsen mit beiden leiblichen Eltern ist für Kinder eine „natürliche Normalität“ (R. Spaemann), die ihren Bedürfnissen entspricht, ihrem Wohlergehen dient. Sie ist zugleich auch eine „statistische Normalität“, in der die große Mehrheit der Kinder aufwächst. Diese Lebensrealität wird in den Kinderbüchern der Vielfaltspädagogik zum Märchen erklärt, wenn es da z. B. heißt: „Vor langer, langer Zeit sah eine Familie so aus: Eine Mutter, ein Vater, ein Kind …“ [iii]. Die Bücher der Vielfaltspädagogik drehen sich um die Regenbogenfamilien gleichgeschlechtlicher Paare, deren tatsächlicher Anteil an den Familien im Land verschwindend gering ist, im Promillebereich liegt [iv]. Die Manipulation hat Methode, schließlich geht es erklärtermaßen um das Ziel die „heterosexuelle Norm zu durchbrechen“. Diesen Wunsch radikaler Minderheiten von Erwachsenen widerspricht das Verhalten der Kinder, die schon im Sandkasten „Mama-Papa-Kind“ spielen. Sie zeigen damit schon früh eine „bürgerliche Lebensvorstellung“, die künftig bereits in den Kindertagesstätten bekämpft werden soll, um die neue Vielfaltspädagogik zu verwirklichen. Die ist, bei Lichte betrachtet, nichts anderes als die alte Utopie der Emanzipation von der Natur und der Neuprogrammierung des Menschen durch staatliche Erziehung.

[i] So Elisabeth Tuider: http://www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/proteste-der-demo-fuer-alle-moral-panik-gegen-sexualkunde/14836532.html. Ein anderes Beispiel für diese Sicht: http://www.wiesbadener-kurier.de/politik/hessen/diskussion-um-hessischen-lehrplan-kai-klose-zum-angekuendigten-protest-der-initiative-demo-fuer-alle_17960592.ht.
[ii] Eingehender hierzu: https://www.welt.de/welt_print/debatte/article4374530/Familienglueck-klassisch.html.
[iii] Exemplarisch für solche sind Werke wie „Alles Familie!: Vom Kind der neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und anderen Verwandten“ von Alexandra Maxeiner und Anke Kuhl.
[iv] Nur etwa 7.000 Minderjährige leben in Deutschland bei gleichgeschlechtlichen Paaren; etwa eine Million Kinder lebt in heterosexuellen nichtehelichen Lebensgemeinschaften, bei Alleinerziehenden sind es 2,2 Millionen und bei Ehepaaren etwa 10 Millionen Kinder. Hierzu mit Belegen: http://www.i-daf.org/aktuelles/aktuelles-einzelansicht/archiv/2014/10/01/artikel/auch-der-ethikrat-strickt-mit-legenden-ueber-familienstrukturen.html.