Lebenslage Alleinerziehend – wo liegt das Problem? Glaubt man der gängigen Erzählung von Modernisierung und Emanzipation, dann ist die gestiegene Zahl Alleinerziehender ein Indikator für vielfältiger und „bunter“ gewordene Lebensverläufe, Ausdruck von Autonomiestreben und Unabhängigkeit, vor allem der Frauen. So populär diese Sicht in manchen Feuilletons ist, so wenig entspricht sie der Wirklichkeit (1). Wie die Sozialstatistik zeigt, bedeutet Alleinerziehen oft Armut: Etwa 40 Prozent aller Alleinerziehenden beziehen Hartz-IV. Diese „Hilfequote“ ist mehr als viermal so hoch wie bei Paaren mit Kindern, von denen weniger als zehn Prozent Hartz-IV beziehen (2). Die Paarfamilien wiederum unterscheiden sich in ihrer Transferabhängigkeit signifikant nach dem Familienstand: Während rund 10% aller nichtehelichen Lebensgemeinschaften mit ein oder zwei Kindern ihren Lebensunterhalt überwiegend durch staatliche Transfers decken, sind es bei den Ehepaaren weniger als fünf Prozent (3). „Traditionelle Familien“ bestreiten also in aller Regel, anders als mediale Legenden über Milliardensubventionen insinuieren, ihren Lebensunterhalt aus eigenem Erwerbseinkommen (4). Für die wirtschaftliche Selbständigkeit und das Armutsrisiko von Familien ist die Lebensform der Eltern keine Nebensächlichkeit, sondern eine Schlüsselgröße.
Schlaglichtartig zeigen dies die Zahlen zu Kindern in „Hartz-IV“: Etwa die Hälfte der 1,9 Mio. Kinder in Hartz-IV-Hauhalten lebt bei Alleinerziehenden (5). Die vieldiskutierte Kinderarmut ist, nicht allein, aber doch ganz wesentlich, eine Folge der steigenden Zahl Alleinerziehender (6). Bewusst für diese Lebensform entschieden haben sich die wenigsten Alleinerziehenden, in den allermeisten Fällen hat sie sich aus dem Scheitern von Beziehungen ergeben. Die Brüchigkeit von Beziehungen, die sprunghaft gestiegenen Trennungs- und Scheidungszahlen, sind damit ein wesentlicher, wenn nicht sogar der Hauptgrund für die materielle Deprivation von Kindern. Für die Politik ergibt sich daraus ein Dilemma widersprüchlicher Erwartungen: Einerseits soll sich der Sozialstaat aus dem privaten Beziehungsleben heraus halten, andererseits muss er für das Zerbrechen von Familien mit vielen Milliarden aufkommen. Das zeigt sich nicht nur an den Transferströmen im Hartz-IV-System, sondern auch an den öffentlichen „Erziehungshilfen“. Die Kosten für diese Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe sind ebenfalls sprunghaft gestiegen, was vor allem die Kommunen belastet (7). Auch das hat mit dem Zerbrechen von Kernfamilien zu tun. Nur etwa zwei Prozent der Kernfamilien nehmen solche Leistungen in Anspruch, aber immerhin zehn Prozent der Alleinerziehenden (8). Hinzu kommt, dass Alleinerziehende aufwendigere Hilfen benötigen. Während für Kernfamilien meist Erziehungsberatungen oder ambulante Hilfen ausreichen, benötigen Kinder getrennter Eltern häufiger „familienersetzende Maßnahmen“, sprich Vollzeitpflege oder Heimerziehung. Diese „familienersetzenden Maßnahmen“ sind besonders teuer – ein Heimplatz kostet mehrere tausend Euro im Monat (9). Der Hauptgrund für solche Maßnahmen sind Trennungen: Fast die Hälfte der Heimerziehungsmaßnahmen betrifft Kinder Alleinerziehender, ein weiteres Viertel Kinder, deren Eltern mit einem neuen Partner zusammenleben; in mehr als zwei von drei Fällen muss also das Kind ins Heim, weil die Beziehung seiner Eltern gescheitert ist (10).
Angesichts des Leids der betroffenen Kinder mag es zynisch erscheinen, diese Tragödien im Blick auf ihre Kosten für den Steuerzahler zu betrachten. Beide Perspektiven, die des Leidens der Kinder wie die der Kosten für die Allgemeinheit, führen aber zur selben Einsicht: Trennungen von Eltern sind nicht einfach „Privatangelegenheiten“, wie ein oberflächlicher, falsch verstandener Liberalismus weismachen will. Trennungen von Eltern als Massenphänomen sind vielmehr eine Gefahr für das Gemeinwohl. Und umgekehrt gilt, dass stabile Ehen eine Ressource für das Gemeinwesen sind. Wer die Ehe rechtlich schwächt (z. B. durch Kappen des Splittingvorteils) trocknet diese Wohlstandsquelle aus. Damit ist niemandem geholfen, weder den Unverheirateten, noch den Alleinerziehenden und schon gar nicht den Kindern.