Wie viele Kinder Frauen in Deutschland haben, hängt stark von ihrem Wohnort ab. Die wenigsten Kinder haben Frauen in Passau (1,05), Kiel und Gera (je 1,11), aber auch in München (1,18), Düsseldorf (1,18), Köln (1,19) und Frankfurt a. M. (1,20) gehören zu den Schlusslichtern. Im Allgemeinen sind es die Universitätsstädte und die Großstädte einschließlich der Stadtstaaten Berlin (1,37), Hamburg (1,27) und Bremen (1,28), die besonders niedrige Kinderzahlen aufweisen. Wesentlich mehr Kinder bekommen Frauen in bayerischen Landkreisen wie Eichstätt (1,86) Mühldorf am Inn (1,87) und Günzburg 1,88 sowie in nordwestdeutschen Landkreisen wie Vechta 1,86 und insbesondere Cloppenburg (2,01), der kinderreichsten Gegend in Deutschland (1). Die Städte sind allgemein kinderärmer als das Land, besonders ausgeprägt ist dieses Gefälle in Bayern.
Von diesem Muster gibt es allerdings Ausnahmen, die Beachtung verdienen: In Offenbach am Main ist die Kinderzahl in der Stadt (1,41) höher als im Landkreis und auch in Kassel gibt es pro Frau mehr Kinder in der Stadt (1,48) als im Landkreis (1,43) (2). Bei der Suche nach Gründen für diese Ausnahmen fällt der höhere Anteil von Immigranten in den Städten ins Auge. Insbesondere Immigrantinnen aus Afrika und der Nahostregion haben deutlich mehr Kinder als die autochthonen („biodeutschen“) Frauen. Die Immigrantenfamilien leben vor allem in den Großstädten, insbesondere im Westen. Kinder mit „Migrationshintergrund“ sind dort vielerorts keine Minderheit mehr, sondern stellen die Mehrheit. Exemplarisch dafür sind Offenbach und Frankfurt am Main, wo sie mehr als zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen ausmachen (3). Was dies für den Unterricht in den Schulen bedeutet, haben Frankfurter Grundschullehrerinnen jüngst in einem Brandbrief versucht der Politik verständlich zu machen (4). Bisher sind keine Daten verfügbar, die die Kinderzahlen in diesen Städten nach autochthonen und zugewanderten Frauen differenziert darstellen. Solche Daten könnten zeigen, wie niedrig die Kinderzahlen der deutschen Frauen in Städten wie Frankfurt am Main tatsächlich sind. Das Gefälle zwischen den kinderarmen urbanen Milieus und den höheren Kinderzahlen in den Landkreisen im Süden und im Nordwesten würde noch deutlicher hervortreten.
Sehr auffällig ist die konfessionelle Prägung der kinderreichen Landkreise: In Westdeutschland finden sie sich durchgängig in katholischen Regionen und in Ostdeutschland dort, wo der Anteil der Christen trotz DDR-Kommunismus relativ hoch geblieben ist (Görlitz: 1,73/Erzgebirgskreis: 1,71) (5). Während die „trendigen“, hochindividualistischen und säkularisierten Großstadtmilieus extrem kinderarm sind, findet sich Kinderreichtum in Deutschland am ehesten in kirchlich und traditionell geprägten Regionen und Milieus. Dieser Befund ist ebenso klar wie unangenehm für die Mainstream-Erklärung, derzufolge das „traditionelle Mütter- und Familienleitbild“ an der niedrigen Fertilität in Deutschland schuld sein soll. Diese Sichtweise wurde viele Jahre propagiert, obwohl seit langem bekannt ist, dass „traditionelle“ Lebensformen mit höheren und emanzipatorische Lebensentwürfe mit niedrigeren Kinderzahlen einhergehen (6).
Dieser Widerspruch zwischen der „Mikroebene“ (Personen, Familien) und den behaupteten Zusammenhängen auf der Makroebene der Gesellschaft wurde mit den äußeren Rahmenbedingungen erklärt, die „emanzipierte“ Frauen in einen Konflikt zwischen Karriere und Kindern bringen. Die Lösung dieses Dilemmas erhofft man sich von einer durch (ganztägige) Kinderbetreuung ermöglichten Vereinbarkeit von Beruf und Familie (7). Die Analyse der regionalen Kinderzahlen ist in dieser Hinsicht allerdings ernüchternd, denn die Kinderbetreuungsquoten zeigen keinen positiven Zusammenhang mit den Kinderzahlen auf, noch weniger ist das bei den Ganztagsbetreuungsquoten zu sehen. Dafür zeigt sich ein anderer Zusammenhang sehr deutlich: Der negative Effekt der Bevölkerungsdichte auf die Kinderzahlen. Dort wo Wohnraum knapp und teuer ist, sind die Kinderzahlen niedrig und dort, wo man sich mehr Wohnraum leisten kann (8) sind sie höher. Der Wohnraum für die Familie ist ein zentraler Grund für Paare mit Kinderwunsch, auf dem Land zu leben. Er ist für sie offensichtlich oft auch wichtiger als die Frage der Betreuungsplätze. Dagegen zieht es karriereorientiere Individualisten besonders in die Universitäts- und Dienstleistungsstädte, die sich demografisch durch „Frauenüberschüsse“ bzw. „Männermangel“ und politisch durch hohe Stimmenanteile für die Grünen auszeichnen. Es sind diese Städte, in denen der politisch-mediale Mainstream zuhause ist, in denen er seine Vorstellungen von modernem, „hippen“ Leben verwirklicht (9). Für Kinder bleibt da kaum noch Platz, wie die verbreitete Kinderlosigkeit von Journalisten zeigt. In der Familienpolitik sind sie die denkbar schlechtesten Ratgeber. Von vermeintlich provinziellen Familienmüttern- und Vätern wäre da jedenfalls politisch deutlich mehr zu lernen.