Die Bundesregierung hat beschlossen, dass im Geburtenregister das Geschlecht von Kindern neben männlich und weiblich auch mit „divers“ angegeben werden kann (1). Bisher konnte in den seltenen Fällen, in denen sich Personen nicht als Mann oder Frau benannt sehen wollen, nur „ohne Angaben“ eingetragen werden. Mit der vorgesehenen Änderung des Personenstandgesetzes reagiert die Bundesregierung auf das aufsehenerregende Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017, über das medial als Einführung eines „dritten Geschlechts“ berichtet wurde. Das Urteil forderte die Möglichkeit eines „positiven Geschlechtseintrags“ für Menschen, die „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ aufweisen. Geklagt hatte eine intersexuelle Person, die einen Eintrag als „intern/divers“ verlangte (2).
Anhänger der Gendertheorie sahen darin ihren Glauben bestätigt, dass es nicht zwei, sondern eine Vielzahl von Geschlechtern gäbe, die rechtlich anerkannt werden müssten. Von dem Gesetzentwurf des Innenministeriums sind sie enttäuscht, weil er „minimalistisch konzipiert“ sei und im „traditionellen Denken in den bekannten Geschlechterkategorien“ verhaftet bleibe. In ihrem Sinne kündigten die SPD-Ministerinnen Barley (Justiz) und Giffey (Familien) weitere Schritte zur Aufhebung des Transsexuellengesetzes an, dass durch ein „modernes Gesetz zur Anerkennung und Stärkung von geschlechtlicher Vielfalt“ ersetzt werden sollte (3). Ein solches „Geschlechtervielfaltsgesetz hatte das Bundesverfassungsgericht nicht verlangt, aber es hatte sybillinisch formuliert, dass die Rechtsordnung nicht länger an einer „allein binären Geschlechtskonzeption“ festhalten dürfe. Dabei hatte das Bundeverfassungsgericht in früheren Urteilen selber formuliert, dass unsere Rechtsordnung und unser soziales Leben davon ausgingen, dass Menschen entweder „männlichen“ oder „weiblichen“ Geschlechts seien. Solche Aussagen bewerten die heute amtierenden Richter als „bloße Beschreibung des zum damaligen Zeitpunkt vorherrschenden gesellschaftlichen und rechtlichen Verständnisses der Geschlechtszugehörigkeit“ gewesen, die heutzutage überholt sei (4), also für die heutige Zeit keine Bedeutung mehr habe.
Die Kategorisierung von Männern und Frauen ist für das amtierende Verfassungsgericht mithin eine überholte Konvention, von der sich die Gesetzgebung emanzipieren solle. Damit schreiben sie das Grundgesetz um, das ganz selbstverständlich von Frauen und Männern spricht und damit auch Rechtsfolgen verbindet: So wird explizit Müttern (nicht „Eltern“) der Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft“ versprochen (Art. 6, Abs. 3) und die Wehrpflicht (Art. 12a) gilt ausschließlich für volljährige Männer. Wenn die Verfassungsrichter die „binäre Geschlechtskonzeption der Rechtsordnung“ ändern wollen, dann müssten sie folgerichtig die Neuformulierung des Grundgesetzes verlangen. Dafür müsste die postulierte Überwindung der „binären Geschlechtskonzeption“ begründet und dargestellt werden, warum die Unterteilung in Männer und Frauen überholt sein soll.
Der Fall vor dem Bundesverfassungsgericht gibt eine solche Begründung nicht her. Geklagt hatte nämlich eine intersexuelle Person mit dem sog. Turner-Syndrom. Aus medizinischer Sicht handelt es um eine Chromosomen-Anomalie (44 A X0-), die dazu führt, dass die betroffenen Frauen infertil bleiben. Es handelt sich um eine sehr seltene genetische Variation, die in Europa mit einer Häufigkeit von 1 zu 5000 Lebendgeburten vorkommt. Die moderne Medizin versucht die physischen Leiden von Turner-Frauen durch Estrogen-Ersatztherapien zu lindern (5). Als Beweise für „Geschlechtervielfalt“ eignen sich diese Fälle wohl kaum. Angesichts der schwierigen Schicksale verbietet sich eigentlich jede ideologische Instrumentalisierung.
Früher nannte man diese Personen oft „Zwitter“. Sie waren schon dem Preußischen Allgemeinen Landrecht 1794 bekannt, dass ihnen als Erwachsenen die Wahl ihrer Geschlechtszugehörigkeit als Mann oder Frau einräumte. Mit der Einführung von Geburtenregistern durch das Personenstandgesetz 1875 war diese Möglichkeit für erwachsene intersexuelle Personen aber entfallen. Damit gab es über lange Zeit eine Regelungslücke für diese seltenen Fälle. Sie wurde aber schon 2013 geschlossen, indem man im Personenstandrecht die Kategorie „ohne Angabe“ einführte (6). Auf dieser Linie bleibt der aktuelle Gesetzentwurf des Bundesinnenministeriums. Den Genderideologen ist dieser Pragmatismus zuwider. Sie wollen ein „Geschlechtervielfaltsgesetz“, wie es die Grünen bereits als Entwurf vorgelegt haben (7). Danach soll jeder sein Geschlecht „selbstbestimmt“ definieren können, unabhängig von Biologie, Menschenkunde und Natur. Wird diese Beliebigkeit bald Gesetz? Wer in der „großen Koalition“ würde das verhindern (wollen)? Und wenn man sein Geschlecht nicht bestimmen will, weil man davon ausgeht, das sei Sache der menschlichen Natur, soll dann Vater Staat es bestimmen? Am dritten Geschlecht wird offenbar, wie sehr sich Recht und Rechtsprechung in Deutschland von der Wirklichkeit natürlicher Normalitäten entfernt haben.