Der Politik „Versagen“ in der Integrationspolitik vorzuwerfen, gehört in den meisten deutschen Medien fast schon zum guten Ton. Zu den gängigen Topoi gehörte noch vor kurzem auch die Berufung auf andere, „westliche“ Nationen, die angeblich „offener“ und integrationsfähiger seien als Deutschland. Dieser Topos allerdings ist längst unglaubwürdig geworden. Ob in den Niederlanden, Dänemark oder Schweden – in allen „multikulturellen“ Vorbildländern gibt es Integrationsprobleme, die sich in Jugendarbeitslosigkeit, Kriminalität und auch in politisch-religiöser Radikalisierung niederschlagen. Besonders schwer mit jungen Migranten tut sich Frankreich (1). Eigentlich sind diese Probleme bekannt, aber erst seit den jüngsten Ereignissen finden sie Aufmerksamkeit. Nun gilt die französische Integrationspolitik als „gescheitert“, während Frankreich vor einigen Jahren noch als vorbildlich beschreiben wurde. Die deutschen Regelungen der Staatsbürgerschaft waren verpönt, galten als „völkisch“; das französische Recht, das im Land geborenen Zuwandererkindern automatisch die französische Staatsbürgerschaft verleiht, galt als „modern“ (2). Dass der (französische) Pass aber keine Integrationsgarantie ist, zeigt die – inzwischen berüchtigte – Arbeitslosigkeit unter den Zuwanderer-Jugendlichen in Frankreich. In Deutschland ist die Arbeitsmarktlage junger Migranten besser, ihre Erwerbslosenquoten sind im europäischen Vergleich relativ niedrig. Das hat viel mit dem Bildungssystem zu tun, insbesondere der besser ausgebauten beruflichen Bildung.
Obwohl die Arbeitsmarktintegration in Deutschland besser funktioniert als andernorts, liegen auch in Deutschland die Anteile der Arbeitslosen und Sozialleistungsbezieher unter Zuwanderern deutlich höher als unter Einheimischen (3). Kürzlich verbreitete, vermeintlich wissenschaftlich untermauerte, Berichte über öffentliche Profite durch Zuwanderung waren grob irreführend: Sie beschränkten sich auf die Bilanz der Sozialversicherung und unterschlugen die Kosten für öffentliche Infrastruktur. Seriöse, alle Zahlungsströme einbeziehende Berechnungen zeigen, dass die Zuwanderung für die öffentlichen Kassen negativ zu Buche schlägt (4). Wenn Arbeitgebervertreter für mehr Zuwanderung werben, dann ist das aus ihrer Sicht durchaus verständlich: Migration vergrößert das Angebot an Arbeitskräften und stärkt damit ihre Verhandlungsposition der Arbeitgeber, nicht zuletzt, wenn es darum geht, die Löhne zu drücken. So wird natürlich nicht argumentiert, stattdessen wird behauptet, dass Deutschland wegen seines Jugendschwundes mehr Zuwanderung „brauche“. Dabei kann Zuwanderung, jedenfalls solange sie in einigermaßen realistischen Größenordnungen bleibt, die Alterung der Gesellschaft nur verlangsamen, aber nicht aufhalten (5). Das Rentensystem jedenfalls lässt sich so nicht „retten“.
Damit sich die Zuwanderung wenigstens für den Arbeitsmarkt „lohnt“, müssten Zuwanderer wesentlich produktiver sein als bisher. Eben deshalb werden mehr „qualifizierte“ Zuwanderer gefordert. Aber woher sollen die kommen? In Ländern mit gut ausgebildeten Bevölkerungen sind die Geburtenraten niedrig, das gilt besonders für Mittelosteuropa (6). Von dort kommen hochqualifizierte Arbeitskräfte, z. B. Assistenzärzte. Sie verdienen in Tschechien nur etwa 1.000 €, in Deutschland aber (brutto) ca. 4.000 € (7). So wandern viele Ärzte ab, begünstigt durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der EU. Unter diesem Braindrain leiden alle Länder Mittelosteuropas, die ohnehin schon mit Nachwuchsschwund kämpfen. Auf der anderen Seite gibt es in diesen Ländern schwerwiegende Probleme mit der Integration gering qualifizierter Angehöriger ethnischer Minderheiten (v. a. der „Roma“) in die Arbeitsmärkte. Zusätzliche „Integrationsherausforderungen“ durch (außereuropäische) Zuwanderung sind hier nicht erwünscht. So erklärt sich die Skepsis gegenüber dem „multikulturellen“ Gesellschaftsmodell, die z. B. der ungarische Premierminister Orban artikuliert. Der ist bekanntlich ein beliebtes Feindbild westlicher Medien (8). Deren Eifer in der Anklage der Politik hält leider nicht Schritt mit der Analyse der wirklichen Probleme.