Wie Gewalt in der Kindheit Geschichte macht, 30.01.2019
Von Sven Fuchs
Aus der Einführung: „Die Grundthese, die meinen Text und mein Denken durchzieht, ist gerade nicht, dass automatisch aus gedemütigten Kindern später Gewalttäter, Terroristen, Kriegstreiber und ähnliche Akteure werden (was auch empirisch nicht haltbar wäre), sondern dass Gewalttäter, Terroristen, Kriegstreiber und ähnliche Akteure als Kind nicht geliebt wurden und diese Art von Akteuren sogar ganz im Gegenteil ein enormes Ausmaß an Destruktivität und belastenden Kindheitserfahrungen erlitten haben. Belastendende Kindheitserfahrungen sind also bildlich gesprochen quasi das Fundament, dass derart destruktives Verhalten möglich macht. Weitergedacht bedeutet diese Feststellung also auch, dass als Kind geliebte, gewaltfrei und umsorgt aufgewachsene Menschen nicht zu Gewalttätern, Terroristen, Kriegstreibern und ähnlichen Akteuren werden. Die Belege für diese Thesen, werde ich im Buchverlauf ausbreiten…
Ich begnüge mich auch nicht damit zu schreiben: Weltweit wird die Mehrheit der Kinder regelmäßig von ihren Eltern geschlagen. Einen solchen Satz – der auf Grund der Faktenlage wahr ist – lesen wir vielleicht einmal in einer Zeitung, aber er bewegt im ersten Moment nichts. Die Wahrheit, die hinter diesem Satz steckt, ist so unglaublich und unfassbar, dass er von unserer Psyche erst einmal, so scheint es mir, beiseitegeschoben wird. Insofern breite ich die Datenlage über das Ausmaß der Gewalt gegen Kinder relativ ausführlich (aber letztlich immer noch lückenhaft) aus, damit die Lesenden wirklich bewusst verstehen, dass dieser Satz kein Scherz ist, dass er nicht ausgedacht wurde, sondern dass unzählige Studien in aller Welt ein Ausmaß der (nicht nur körperlicher) Gewalt gegen Kinder belegen, das uns als Menschen beschämen, aber in der Folge letztlich auch dazu ermuntern sollte, mehr für den Schutz der Kinder zu leisten….
Außerdem ist das Ausmaß von belastenden Kindheitserfahrungen in der allgemeinen Bevölkerung zentral bei der Gesellschaftsanalyse, denn die Menschen eines Landes gestalten jeden neuen Tag das Leben und ihre Umwelt. Insofern bin ich bemüht, möglichst viele Ländervergleiche anzuführen.“
‚Der Wille des Kindes muss gebrochen werden, d. h. es muss lernen, nicht sich selbst, sondern einem anderen zu folgen’ Dieser Satz stammt aus der Enzyklopädie des gesamten Erziehungs- und Unterrichtswesens aus dem Jahr 1887. Der Satz steht exemplarisch für das grundsätzliche Erziehungsverhalten gegenüber Kindern nicht nur im Deutschen Reich, sondern galt (und gilt weiterhin in vielen Teilen der Welt) im Grunde weltweit. …. Das von Geburt an zum Gehorsam und zur Unterwerfung gezwungene Kind fügt sich schließlich dem Willen Anderer und gibt seine Individualität und auch eigene Gefühlswelt auf. Ein solch geprägter Mensch ist ein perfekter Befehlsempfänger, Untertan, Gläubiger oder weitergedacht auch Soldat. Die Umgebung, Lebenswelt und Tradition um sich herum wird als gegeben hingenommen und man fügt sich seinem Schicksal. Die Kindheit ist entsprechend hoch politisch! Dies zeigt sich ergänzend auch dann, wenn man die Machtzentren und die in ihr agierenden politischen Führer genauer betrachtet. Denn auch diese waren einst Kinder. Besonders destruktive oder gar grausame politische Führer fallen dabei besonders durch eine Gemeinsamkeit auf: eine destruktive, oftmals sogar von erheblicher elterlicher Grausamkeit geprägte Kindheit. …. Wir werden im Textverlauf sehen, dass eine gewaltfreie Kindererziehung oder besser gesagt eine gewaltfreie und fürsorgliche Elternschaft eine recht neue Erfindung der Menschheit ist.“
„Vorwegnehmen möchte ich ein Zitat aus den Erinnerungen des NS-Massenmörders Adolf Eichmann. Eichmann wurde 1906 geboren und ist – was man dem Zitat deutlich entnehmen kann – genau in dieser zuvor dargestellten Tradition der Schwarzen Pädagogik und mit strikten Gehorsamsforderungen aufgewachsen (zusätzlich erlebte er, dass seine Mutter starb, als er ca. 10 Jahre alt war, was ergänzend ein schweres Kindheitstrauma darstellt). Gleich im ersten Teil des Zitates ist auch die klassische Vermischung von erlebter Strenge, Unterwerfung und Strafe mit Liebe zu sehen, indem sich Eichmann an den strengen Vater erinnert und gleichzeitig meint, dieser wäre ihm in „liebevoller Zuneigung“ begegnet: „Irgend etwas aber muss es doch gewesen sein, dass es meinen seligen Vater schon in meiner frühesten Jugend dazu bewogen haben muss, trotz liebevollster Zuneigung und Freude an mir, gerade mich besonders streng zu erziehen, eine Strenge, wie sie meine Geschwister nie in diesem Umfange zu verspüren bekommen hatten. (…) Von der Kinderstube angefangen also, war bei mir der Gehorsam etwas Unumstößliches, etwas nicht aus der Welt zu Schaffendes. Als ich dann später (…) zur Truppe kam, fiel mir das Gehorchen nun keinen Deut schwerer als das Gehorchen in der Kinderstube (…). Ich anerkannte meinen Vater als absolute Autorität, ebenso meine leider früh verstorbene Mutter; ich erkannte meine Lehrer und beruflichen Vorgesetzten als Autorität an und ebenso später meine militärischen und dienstlichen Vorgesetzten. Es wäre denkbar gewesen, dass das berühmte Kamel durch das Nadelöhr geht, aber undenkbar wäre es gewesen, dass ich nicht mir gegebenen Befehlen gehorcht hätte.“ Am Beispiel von Adolf Eichmann kommt aber noch etwas zu Tage. Die möglichen Folgen der autoritären Erziehung sind nicht nur blinder Gehorsam. Sie sind auch Fühllosigkeit, Denken in Extremen und eine Leidenschaft für Destruktivität und Zerstörung.“
„Grundsätzlich ist es so, dass gerade körperliche Gewalt ganz real mit begründeter Todesangst zu tun hat. Kinderkörper sind sehr zerbrechlich, vor allem auch je jünger die Kinder sind. Sonja berichtet: ‚Das Schreckliche war doch, dass ich mich als erwachsene Frau eine Zeit lang sehr für Scheinhinrichtungen interessiert habe. Und mich immer verwundert fragte, woher diese Anziehung kommt. Denn Scheinhinrichtungen sind ja eine Foltermethode. Erst sehr viel später habe ich verstanden, dass das genau das war, was mir als kleines Kind passiert ist. Denn wenn man noch nicht abstrahieren kann, also so sechs Jahre alt ist, weiß man einfach nicht, ob man den Gang die Kellertreppe hinunter mit dem Rohrstock in der Hand überlebt. Jedes Mal, wenn ich den Schmerz der Schläge spürte, wenn es losging mit der Prügelei, habe ich geglaubt, ich werde sterben. Schon wenn es die Treppe hinunter in den Keller ging, habe ich gedacht, nun ist es aus. Dieses Mal überlebe ich es nicht.’“ „Bei dem Missbrauch und der Misshandlung von Kindern geht es im Wesentlichen darum, den Willen, die Menschlichkeit und den Geist des Kindes zu zerstören, sodass es die Kontrolle über sich verliert und bereit ist, seinen Eltern die Kontrolle über sich zu übergeben. Zwischen Folter und Kindesmisshandlung bestehen erschreckend deutliche Parallelen!“
„Es ist im Grunde ganz leicht nachzuvollziehen, dass eine Gesellschaft psychisch und emotional ganz anders aufgestellt ist, wenn alle die in ihr lebenden Menschen vielleicht zu unter 10 % körperliche Elterngewalt erlebt haben (eine solche Gesellschaft gibt es bisher nicht), als eine Gesellschaft in der fast 90 % der Menschen körperliche Elterngewalt erlitten haben (solche Gesellschaften gibt es) …. Heute wissen wir, dass Gewalt gegen Kinder und belastende Kindheitserfahrungen an sich erhebliche schädliche Folgen haben und umgekehrt betrachtet eine gewaltfreie und unbelastete Kindheit entsprechend das Ideal sein sollte, um eine optimale und gesunde Entwicklung des Kindes zu ermöglichen. Für eine Metastudie wurden 111 Studien ausgewertet. Die ausgewerteten Studien umfassen Daten für 160.927 Kinder. 99 % der Studien fanden schädliche Effekte von körperlicher Gewalt gegen Kinder und keinerlei positive Effekte. 17 negative Effekte wurden erfasst, darunter z.B. Aggressionen, antisoziales Verhalten, psychische Probleme, geringes Selbstbewusstsein, geringere kognitive Fähigkeiten, geringere verinnerlichte Moralvorstellungen. Alkohol- und Drogenmissbrauch und das Gutheißen von Körperstrafen gegen Kinder.“
Auch die Gehirnforschung entschlüsselt immer mehr, inwieweit Kindesmisshandlung und -vernachlässigung dauerhafte Schäden hinterlässt. Der Wissenschaftler und Psychiater Martin H. Teicher schreibt: ‚Weil Kindesmisshandlung in einer für die Hirnentwicklung entscheidenden Phase stattfindet, in welcher das Gehirn durch neue Erfahrungen und Erlebnisse physisch geprägt wird, können schwere Belastungen unauslöschliche Spuren in seiner Struktur und Funktion hinterlassen. Anscheinend löst die Misshandlung eine Flut molekularer und neurobiologischer Wirkungen aus, die die neurale Entwicklung unwiderruflich verändern.’ Bis in die frühen 1990er Jahre hinein glaubten Fachleute, so Teicher, Kindesmisshandlung führe zu verzögerter psychosozialer Entwicklung und zu schädlichen psychischen Abwehrmechanismen im Erwachsenenalter. Man hielt dies für eine Art Software-Problem, das durch Therapie zu lösen sei. Bildgebende Verfahren und Experimente zeigten jedoch, dass Kindesmisshandlung die neurale Struktur und Funktion des reifenden Gehirns dauerhaft schädigen könne. …. Die eingangs erwähnte Enzyklopädie aus dem Jahr 1887 macht dies bereits deutlich. In selbiger steht auch der Leitsatz: ‚Das Kind fängt an frei zu werden, wenn es den Eltern und Lehrern gehorcht.’“
Aus dem Textverlauf: „So gaben z.B. nur 4,6 % der gewaltfrei Aufgewachsenen an, manchmal Selbstmordgedanken gehabt zu haben, dagegen 48 % der stark Gewaltbelasteten. 1,8 % der gewaltfrei Aufgewachsenen konsumierten wiederholt Marihuana, dagegen 14,8 % der Gewaltbelasteten. Ähnliche Unterschiede fanden sich bezogen auf Gewalt- und Eigentumsdelikte. Dazu kommen einige spezielle Zusammenhänge: 61,5 % der gewaltfrei Aufgewachsenen gaben eine hohe Lebenszufriedenheit an, dagegen nur 11,1 % der stark Gewaltbelasteten. 2,3 % der gewaltfrei Aufgewachsenen schwänzten wiederholt die Schule, dagegen 14,5 % der Gewaltbelasteten. 13,4 % der gewaltfrei Aufgewachsenen trugen ein Messer, Schlagring oder Totschläger mit sich, dagegen 31 % der Gewaltbelasteten. 5,1 % der gewaltfrei Aufgewachsenen wünschen sich als Erwachsene den Besitz einer Schusswaffe, dagegen 11,8 % der Gewaltbelasteten.“
„Schon im Alten Testament steht: ‚Erspar dem Knaben die Züchtigung nicht; / wenn du ihn schlägst mit dem Stock, wird er nicht sterben. Du schlägst ihn mit dem Stock, / bewahrst aber sein Leben vor der Unterwelt.’ oder ‚Wer seinen Sohn liebt, hält den Stock für ihn bereit, / damit er später Freude erleben kann.’ Diese Erziehungsprinzipien sind jahrtausendealt und wirkten entsprechend nach. ’Die Hand für die Peitsche hinhalten’ ist auf Latein eine Umschreibung für ‚zur Schule gehen’“.
„Ein anderes Beispiel zeigte sich in einem ZEIT-Interview mit dem Kriminologen Christan Pfeiffer und der Historikerin Rebekka Habermas (Tochter des bekannten Philosophen und Soziologen Jürgen Habermas). Pfeiffer führte zunächst aus, dass der Rückgang von Gewaltkriminalität wesentlich durch einen Wandel der Kindererziehung bedingt sei. Er sagte weiter: ‚Gewalt wird erzeugt durch prügelnde Eltern. Wir haben Menschen aller Altersgruppen in Deutschland gefragt: Wie war deine Kindheit? Heraus kam, dass Kindesmisshandlungen bis in die siebziger Jahre auf relativ hohem Niveau blieben, dann ging die Zahl steil nach unten. Zugleich wuchs die Zuwendung der Eltern: ‚Mehr Liebe, weniger Hiebe’. Die Reaktion von Rebekka Habermas auf diese Sätze stellte sich wie folgt dar: ‚Hiebe können auch Liebe sein. Gewaltausübung in Familien heißt ja nicht, dass Kinder nicht geliebt werden.’ Es ist ganz und gar erstaunlich, wie im Jahr 2018 öffentlich von einer hoch gebildeten Person solche Sätze kommen können.“
Und ein Blick in die Geschichte: „Aufschlussreich sind auch überlieferte Gesetze aus Zeiten weit vor Christi Geburt, wie mit rebellischen Kindern zu verfahren sei: Im Codex Hammurabi wurde das rebellische Verhalten eines Sohnes, der seinem Vater gegenüber handgreiflich wurde, für ein schweres Verbrechen gehalten, das durch die Abtrennung der Hand des Sohnes zu ahnden war. Ein adoptierter Sohn, der die Bindung zu den Eltern löste, indem er sich vom Adoptivvater lossagte, war dadurch zu bestrafen, dass ihm die Zunge herausgeschnitten wurde. Das Mosaische Gesetz war noch entschiedener, indem es den Tod des Sohnes forderte, der Vater oder Mutter geschlagen hatte. …“
„Der Kirchenlehrer Augustinus (oder Augustinus von Hippo, ca. 354– 430 n. Chr.) rief noch im (damals) hohen Alter von 62 Jahren aus: ‚Wer würde denn nicht mit Entsetzen zurückweichen und lieber den Tod wählen, wenn man ihm die Wahl ließe zwischen Sterben und wieder Kind sein.’“
Sven Fuchs fasst seine Befunde in folgenden Punkten zusammen:
„1. Kindheit war historisch stets gewaltbesetzt und destruktiv. Das Ausmaß und die Alltäglichkeit des historischen Kindheitsleids ist bisher nicht Teil des öffentlichen Bewusstseins geworden.
2. Eine gewaltfreie Kindheit ist eine recht neue Erfindung der Menschheit. Gesellschaften, in denen beispielweise die Mehrheit der Kinder ohne körperliche Elterngewalt aufwächst, sind bis heute nur wenige zu finden.
3. Trotz dieser beiden ersten Punkte zeigt die Datenlage, dass es Grund zu Optimismus gibt. Gewalt gegen Kinder ist (vor allem in Europa) stetig rückläufig und dieser Prozess scheint sich sogar zu beschleunigen. Parallel dazu gibt es weltweit große Bemühungen der Gesetzgeber um mehr Kinderschutz.
4. Der Spruch, dass elterliche (bzw. erzieherische) Gewalt Kindern nicht schaden würde, sondern positive Auswirkungen auf diese hätte, ist wissenschaftlich (und auch von jedem gesunden menschlichen Fühlen her) eindrucksvoll widerlegt. Ganz im Gegenteil hat jegliche Gewalt gegen Kinder deutlich schädliche Auswirkungen auf die Kinder und somit auch auf die später Erwachsenen.
5. Es werden vor allem in der Öffentlichkeit, Medienlandschaft und oft auch in der Wissenschaft vor allem zwei Dinge nicht miteinander verknüpft: die viel-
fältigen destruktiven Folgen von Kindesmisshandlung und belastenden Kindheitserfahrungen und das hohe Ausmaß von Kindesmisshandlung und belastenden Kindheitserfahrungen. Denn beides zusammen bedeutet, dass in vielen Gesellschaften die Mehrheit der Menschen an destruktiven Folgen von Kindheitsleid leidet. Entsprechend kränkeln auch die entsprechenden Gesellschaften und das umso mehr, je mehr destruktive Kindheitserfahrungen in der Bevölkerung verbreitet sind. Diese simple Feststellung macht die Kindheit gesellschaftlich so bedeutsam und somit hoch politisch.
6. Die vielfältigen schädlichen Folgen von Kindesmisshandlung und belastenden Kindheitserfahrungen sowie das Ausmaß selbiger gilt natürlich nicht nur für die Allgemeinbevölkerung, sondern auch für spezielle Gruppen wie Politiker, Beamte, Militärs, Wirtschaftsführer, Medien- und Kulturschaffende usw. Auch Menschen aus diesen einflussreichen Gruppen waren einst Kinder und ihre Kindheitserfahrungen prägen – wie bei allen Menschen – ihr Agieren und ihre psychische Situation als Erwachsene.
7. Verstärkt seit den 1990er Jahren steigt das wissenschaftliche Interesse an den (kollektiven) Gesundheitsfolgen von Kindheitsleid, aber auch speziellen Folgen wie Kriminalität oder hohen gesellschaftlichen Kosten. Diese Themenbereiche sind mittlerweile recht gut erforscht. Wenn es allerdings um Politik geht, wird das wissenschaftliche Feld sehr viel dünner. Destruktives Agieren von Politikern und Politikerinnen, Terrorismus/Extremismus und auch Kriege werden in der Regel nicht in einen Zusammenhang mit belastenden Kindheitserfahrungen gebracht. Eine Ausnahme stellt der in Wissenschaft und Öffentlichkeit kaum beachtete Forschungsbereich der Psychohistorie (englisch: Psychohistory) dar. Dieser Forschungszweig stellt routinemäßig Zusammenhänge zwischen Kindheit und Krieg, Kindheit und Terror/Extremismus, Kindheit und sozialen Verwerfungen, Kindheit und wirtschaftlicher, kultureller und sozialer Rückständigkeit, Kindheit und destruktiver Politik, Kindheit und gesellschaftlicher Selbstzerstörung usw. her. Das wird in der Regel ignoriert. Diese Ignoranz ist mittlerweile nicht mehr tragfähig, da es etliche Forschungsergebnisse gibt, die die psychohistorischen Thesen stark stützen.
8. Es ist zu erwarten, dass eine deutliche Reduktion von Kindesmisshandlung in all ihren Formen und belastenden Kindheitserfahrungen starke positive Effekte auf Gesellschaften – ihre Politik, den Gesundheitszustand der Menschen, ihre Medien, Alltagsverhaltensweisen, Gewaltverhalten/Kriminalität, Moralvorstellungen oder einfach ihr gesamtgesellschaftliches emotionales Befinden – hat und auch bereits hatte. Die Frage an die Wissenschaft wird zukünftig immer drängender sein, warum Gewalt und Destruktivität in der Gesellschaft im langfristigen Trend betrachtet immer weiter abnimmt? Wer bei der Beantwortung dieser Frage die sich stetig verbessernde Kinderfürsorge und eine stetige Abnahme von Gewalt gegen Kinder bei der Analyse außen vor lässt, wird keine ausreichende Antwort bekommen.
9. Die Kindheit ist auch politisch im privaten Raum, denn jede neue Elterngeneration, die ihre Kinder liebevoller und gewaltfreier erzieht als die Generation davor, verändert dadurch Stück für Stück die Gesellschaft und die Zukunft.
10. Blick in die Zukunft: In den nächsten 50 Jahren werden die positiven Effekte der sich stetig entwickelnden Kinderfürsorge überdeutlich zu Tage treten. Immer mehr Länder verbieten zudem durch Gesetze jegliche Gewalt gegen Kinder. Der Trend zu einer gewaltfreien Kindheit ist meiner Auffassung nach nicht mehr zu stoppen, sondern wird sich zukünftig sogar beschleunigen und weltweit verbreiten. Deswegen ist dieser gesamte Text im Grunde auch ein großer Aufruf an die Weltgemeinschaft, den weltweiten Kinderschutz deutlich schneller voranzutreiben und somit massiv in die Zukunft der Menschheit zu investieren.“