Schluss mit euren ewigen Mogelpackungen, Buch des Monats, 20.04.2018
Von Peter Hahne
Die armen reichen Kinder
Jedes fünfte Hauptstadtkind ist überfordert. Das glaubt eine Studie belegen zu können, die rechtzeitig zum Schulbeginn nach den Berliner Sommerferien veröffentlicht wurde. In einer Zeitung las ich, worüber die meist zehnjährigen Schüler so alles klagen. Als ich dann auch noch die Studie durcharbeitete war mir klar: Wir reden hier nicht mehr von Kindern, sondern von kleinen Erwachsenen, die man um ihre Kindheit betrügt. Wie gut hatten wir es doch früher in den 1950er Jahren, als die Schule um 13 Uhr schloss, noch schnell Hausaufgaben erledigt wurden und dann nur noch Spielen angesagt war. Ohne Handy und Markenklamotten, abends verschmutzt und abgekämpft wieder im Elternhaus zurück – aber glücklich! Es hat keinen Sinn, alte Zeiten zu verherrlichen. Aber ist nicht wirklich etwas dran, dass die heutige Kindheitsphase die reinste Mogelpackung ist?!
Heute hat man den Eindruck, dass Zehnjährige einen volleren Terminkalender haben als ein Manager. Die befragten Schüler haben bis nachmittags Unterricht (sind wir Älteren so viel blöder, weil wir das nicht hatten?!) und ab dann volles Programm. »Ich muss zum Judo und zum Klavierunterricht, obwohl ich oft keine Lust darauf habe«, sagt Helena. »Ich würde gern viel mehr mit Lego spielen, aber Schule und Ballett gehen vor, sagt meine Mutter«, so die siebenjährige Sofia. Eric (10) will (oder nicht besser: soll?!) Fußballer werden, muss dreimal die Woche zum Training und am Wochenende zum Turnier. Der Rest ist Schule. Was für eine arme Kindheit im reichen Deutschland!
»Hausaufgaben, Leistungs- und Termindruck sind die größten Stressfaktoren für die Sechs- bis Vierzehnjährigen«, so die Studie. Die Folgen sind fatal: Kinder werden aggressiv, traurig, ängstlich und haben weniger Selbstbewusstsein. Die überforderten Kinder beschweren sich am meisten darüber, dass sie etwas tun müssen, wozu sie keine Lust haben. Und für das, was sie gerne machen, zu wenig Zeit bleibt. So wird die Entwicklungsstufe »Kindheit« zur reinsten Mogelpackung, wenn wir diese wichtige Phase einfach überspringen und statt Kinder lauter kleine Erwachsene erziehen. Oder besser gesagt: dressieren.
Gebt euren Kindern ihre Kindheit zurück! Mehr bedarf es eigentlich nicht. Die Psychologen der Studie raten, mit den Kindern zu kooperieren oder ihnen »Räume der Autonomie « zu schaffen. Was für ein Stuss! Lasst die Kinder Kinder sein, das sagt die Lebenserfahrung und würde reichen, die meisten Probleme zu lösen. Da sich aber Eltern am liebsten über ihre Kinder selbst verwirklichen, habe ich nicht viel Hoffnung, dass sich etwas ändert. Solange es wichtiger ist, dass das Kind (und damit man selbst) mit den Nachbarn oder Mitschülern mithalten kann, als dass es glücklich ist, sind Hopfen und Malz verloren.
Jesus Christa und die Mondin
Wenn man mal was richtig Verrücktes erleben will, dann muss man auf den Kirchentag. Ich bin »leider« zur selben Zeit immer in Urlaub, aber Berlin 2017 durfte man sich einfach nicht entgehen lassen. Noch nie ist dieser »Event«, der ja immer schon nichts anderes als ein mit Liedern umrahmter rot-grüner Parteitag war, von der sonst so milden Presse dermaßen niedergemacht worden. Weniger durch ernsthafte Kommentare denn durch Hohn, Spott und blankes Entsetzen. Fassungslos schauen Kollegen, die längst aus der Kirche ausgetreten und alles andere als konservative Spießbürger sind, auf dieses Spektakel, das oft pure Realsatire ist. Die Naivität der politischen Debatten wurde nur noch durch die Anbetung Obamas übertroffen, der es – wie von mir öffentlich prophezeit – fertigbrachte, alles andere zur Nebensächlichkeit und den Wittenberger Abschlussgottesdienst zu einer besuchsmäßigen Pleite werden zu lassen. Wer Obama und den an ihn (»Obama auf dem Kirchentag ist parasitäre Publizität«. Peter Hahne schon drei Wochen vorher in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung, das es auf den BILD-Titel schaffte) ranwanzenden EKD-Chef erlebt hat, konnte ja auch getrost nach Hause fahren: »Wo ich doch schon mal neben Ihnen sitze …« – worauf Mitdiskutantin Merkel genial konterte: »Ich dachte, ich sitze gerade neben Herrn Obama …« Keine Satiresendung ohne diese Szene, selbst in den Nachrichten! Doch apropos Lieder: Das war nun der Knaller, wenn’s nicht so traurig und vor allem so kostspielig gewesen wäre. 265 000 Liederbücher (in Worten: zweihundertfünfundsechzig-tausend!) mussten neu gedruckt werden, weil man sich endlich von den patriarchalisch-autoritären Altherrenliedern dieser weißen Männer vergangener, Frauen verachtender Jahrhunderte emanzipieren wollte und ein neues, gendergerechtes Liederbuch hermusste. Ganz zu schweigen vom Frevel an Autoren, die sich nicht mehr wehren können: Wie kann man Lieder umschreiben, die über Jahrhunderte Menschen in Kriegen und Katastrophen getröstet haben, die sie auswendig konnten, als Eiserne Ration, als »Seelenbrot« (Wolf Biermann) für Zeiten schwerster Krisen, Verfolgung, Einsamkeit, Schicksalsschlägen. Die FAZ titelte: Das Liederbuch des Evangelischen Kirchentages spinnt. Auch andere Kollegen ließen ihrer Empörung freien Lauf. Statt des großartigen, rund um die Welt gesungenen »Lobe den Herren …« war man verdammt (im wahrsten Wortsinn!), nun zu singen: »Lobe die E’wge«. Dass damit auch jeglicher Reim auf der Strecke blieb, störte die Gender-Wissenschaftlerinnen« nicht – und nie hat man erfahren, was der ganze Spuk dem Kirchensteuer-Scherflein der »Witwe und der Schwäbischen Hausfrau« gekostet hat, Honorare, Reisekosten, Hotels, Arbeitsgruppen und der Druck. Und schließlich das Sterben der Regenwälder für das Papier … Da hilft nur noch das Erbarmen von Jesus Christa! Bei »Wer nur den lieben Gott lässt walten« wird Gott im Laufe des Liedes durch »die Allmächtige« ersetzt, ganz gleich, ob das zu Reim und Versmaß passt.
So treibt diese Gesinnungs- und Sprachdiktatur harmlose Christen in den Genderwahn! Keine Rücksicht auf geistlich tief geprägte Männer und Frauen (!), die vor Jahrhunderten aus eigenen Lebens- und Herzenserfahrungen in ihren Liedern Gleichnisse und Gemälde in perfektes Versmaß und in zeitlose Worte und Töne setzten, die heute noch jeder versteht. Die FAZ-Bildungsexpertin Heike Schmoll schreibt in ihrem von blankem Entsetzen gekennzeichneten Artikel, dass diese Damen selbst vor Matthias Claudius nicht zurückschrecken. Jenem großartigen Hamburger Journalisten, der seinem »Wandsbecker Boten« den Untertitel gab: »Etwas Festes muss der Mensch haben«. Doch diese Kirchentagsdichter sind nicht mehr ganz dicht. Es ist nichts mehr fest und beständig, erst recht nichts mehr heilig. Sie lassen bei Abendstimmung das unübertroffene Claudius-Lied »Der Mond ist aufgegangen« singen und wollen weder den »kranken Nachbarn« noch die in Gottes Namen ruhenden Brüder bestehen lassen. Claudius verengt es doch bewusst wie ein Zoom im Film, wie ein Fokus im Gemälde, auf den »kranken Nachbarn«, also den Allernächsten, um den man sich sorgt. Daraus aus bloßer Ideologie die Allerweltsphrase »alle kranken Menschen « zu machen, ist unter dem Niveau eines Groschenromans. Und das Volk genderisierter Schäfchen singt mit Inbrunst: »So legt euch, Schwestern Brüder, in Gottes Namen nieder …« Ein Kommentar im Internet macht daraus – und ich zitiere das bewusst, weil es den Ernst der Lage und die abgrundtiefe Verachtung gegenüber der heutigen Kirche widerspiegelt: »So legt doch endlich, Brüder, die holden Schwestern nieder …« Im Internet wird gnadenlos gespottet, voller Verachtung. Das ist schlimmer als auslachen oder verfolgen, Verachtung ist der Preis für selbstverschuldete Lächerlichkeit. Doch was soll man anderes haben, vor allem vor denen, die sich das tatenlos gefallen lassen. Gestandene Bischöfe und Spitzenpolitiker schunkeln beschallt und beseelt wie be-schwipst zu diesen Liedern und merken gar nicht, wie selbst Atheisten angewidert wegschauen. Niemand hat den Mumm, dem Mumpitz, dieser lächerlichen und vor allem Millionen teuren Infantilisierung abendländischen Kulturgutes ein Ende zu machen und in der »Methode Luther« auf den Tisch zu hauen, sich dem Treiben in den Weg zu stellen. Ich erinnere mich an den leider fast vergessenen Theologen und großen Prediger Helmut Thielicke. Seine Gottesdienste im überfüllten Hamburger »Michel« mussten während der 68er-Revolution von der Polizei, einmal sogar der Bundeswehr (!), geschützt werden. Aber der Mann hatte Mumm! In seiner Lebensbilanz schreibt er, dass er den Studentenkrawall unter »jugendlich rebellisch« abgehakt hat. »Verachtung habe ich jedoch gegenüber den Professoren-Kollegen, die ohne jeden Widerstand auf die Stimme der Gosse gehört haben.« Ganz genauso habe ich’s in Heidelberg erlebt: weltberühmte Theologen, die vor den 68ern kuschten – und wenige wie den Systematiker Albrecht Peters, der seine Vorlesungen mit Losung und Gebet begann, seine Frau mit feuchten Handtüchern im Hintergrund, falls wieder Eier flogen. Das waren wahre Gelehrte, die Gesicht und Haltung zeigten, nicht jene feigen intellektuellen Leichtgewichte mit ihrer Anbiederung an den Zeitgeist!
Und wer aus dieser Geschichte nichts gelernt hat, ist nun verdammt, sie noch einmal zu wiederholen. Nur dass es noch primitiver geht, hätte ich nie gedacht. In einem Leserbrief rettet sich die Schreiberin in Ironie und Sarkasmus, um ihren Abscheu vor dieser Kirchentags-Dichtkunst (ein Paradebeispiel, dass Kunst eben nicht von Können kommen muss!) auf die Spitze zu treiben. Sie schlägt eine Revision des neuen Gesangbuchs vor, Geld ist ja genug da, und macht schon mal einen Vorschlag zur Umdichtung von »Der Mond ist aufgegangen«: „Mondin ist aufgegangen, die Gender-Sterne prangen am Kirchentag ganz klar. Vernunft steht schwarz und schweiget, und aus Gehirnen steiget der rosa Nebel sonderbar“. Der bekannte Komponist und Musikproduzent Jochen Rieger schreibt in idea-spektrum über diese »änder-Gender-Musik« erschüttert: »Die Textverstümmelungen sind eine ideologisch inspirierte Schnapsidee, die jedem Vollblutmusiker das Herz zerreißen.«
Diese Sprache ist nicht gerecht, sondern einfach nur dumm. Für so etwas werden Millionen und Abermillionen verpulvert, aber das Geld fließt ja in Strömen. Kirche ist bekanntlich die einzige Firma, die völlig erfolgsunabhängig ihr Geld bekommt. Solange die Berliner Steuerkassen überlaufen, wird die Summe der Kirchensteuer trotz Mitgliederschwund auf hohem Niveau dennoch immer höher. Mathematisch gesprochen: Die Einnahmen sind reziprok zu den Austritten. Denn eins ist glasklar: Müsste sich zum Beispiel der Kirchentag allein aus Spenden finanzieren und bekäme keine rund 60 Millionen (!!) von Staat und Kirche und ließe sich nicht auch noch schamlos von VW sponsern (moderner Ablasshandel: Kirchensponsoring gegen Abgasskandal!), er wäre mausetot. Und alle würden die schönen alten Lieder in der schönen alten Sprache, die viele sogar noch auswendig können, mit schöner neuer Inbrunst und erleichtertem Seufzen singen: Lobe den Herren …
Buschkowsky, die Landnahme und die deutsche Naivität
Wenn man mich nach Klartext-Politikern fragt, die sich nicht verbiegen lassen und unverdrossen zu ihren Ansichten stehen und diese auch gegen extremste Kontrahenten vehement und mutig verteidigen, dann sind es vor allem zwei »B-Politiker«. Beide schafften es nicht in die »A-Reihe« ihrer Parteien und wurden vom dortigen Mainstream-Management aus Positionen ferngehalten, die ihnen eigentlich auf den Leib geschrieben sind: zum Beispiel Innenminister. Und beide fangen auch mit »B« an: Wolfgang Bosbach (CDU) und Heinz Buschkowsky (SPD). Vor allem in Sachen Multikulti und Verharmlosung des Islams zeigen beide klare Kante. Sie waren öfter Gast meiner Sendung, meist traten sie gegen ihre schärfsten Kritiker an. Niemals hörte ich von ihnen das inzwischen zum Ritual gewordene Absage-Argument: mit dem oder der trete ich nicht gemeinsam auf. Und gegangen ist auch keiner …
Heinz Buschkowsky, der legendäre Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, ähnliche Einwohnerzahl wie die Großstadt Bielefeld, sorgt in seiner BILD-Kolumne regelmäßig für Schnappatmung bei seinen gutmenschelnden Genossen. So auch mit einem Begriff, der genau ins Schwarze trifft, voll auf die Zwölf: was die Muslime in Deutschland betreiben, sei eine »gesellschaftliche Landnahme.« Komisch: Es gab keinen Aufschrei gegen dieses »Unwort«, weil diese Auf-Schreihälse wohl genau wissen – da ist so viel Wahres dran, dass man keine schlafenden Hunde wecken will.
Landnahme heißt laut Wikipedia: Die Inbesitznahme fremden Grund und Bodens, unabhängig von Eigentumsverhältnissen, Zustimmung oder Duldung. Der Buschkowsky-Begriff stimmt höchstens insofern nicht, als wir ja bereit sind, das alles demütig und ohne jede Gegenwehr zu dulden – jedenfalls multikulti-beseelte Naive, die in der Regel in sicheren beziehungsweise gesicherten Häusern und Wohngegenden leben, ihre Kinder in Privatschulen schicken und den »Ausländer« nur als netten Gemüse- oder Teppichhändler oder liberalen Akademiker kennen. Doch was Buschkowsky so glaubwürdig macht: Er schreibt nicht aus einer Charlottenburger Jugendstil-Altbauwohnung, sondern buchstäblich aus dem Souterrain des »Problemkiezes « Neukölln. Der Mann weiß, wovon der redet. Im Fall »Landnahme« meint er zum Beispiel den Dauerstreit um das Kopftuch. Permanent würden unsere Gerichte mit dauerklagenden Beamtinnen gelähmt, »und es wird auch einen nächsten geben und einen übernächsten, solange, bis wir toleranten Bürger müde werden, gegen einen Prozess der gesellschaftlichen Landnahme anzukämpfen.« Die Taktik der Zermürbung wird geschickt angewandt, wie wir sie auch in Kindergärten, Schulen, bei Klassenfahrten oder in den Kantinen erleben. Irgendwann ist man es leid zu intervenieren, was nun gegessen werden darf oder ob man noch Weihnachten feiern kann – und man steht ja ohnehin in dem Verdacht, rechtsradikal zu sein, wenn man diese »Landnahme« kritisiert.
Diese »gesellschaftliche Landnahme« schreitet immer weiter fort. Erst benannte man bereitwillig Weihnachtsmärkte in Wintermärkte und das jüdische Laubhüttenfest in Herbstfeier um, doch bald wurden die Sternsinger beispielsweise in der Potsdamer Staatskanzlei nicht mehr empfangen und von den NRW-Linken beantragt, den Nikolaus aus öffentlichen Kindergärten zu verbannen. Landnahme! Erst wurde aus Rücksicht auf Muslim-Kinder in der Kita eine Alternative zum Schweinefleisch gekocht, heute gibt’s in vielen Horten nur noch Rindfleisch – die Töpfe könnten ja »unrein« werden. Einer Landnahme der besonderen Art leistete der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel Vorschub: Er nahm am Fastenbrechen in der Berliner Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate teil. In seiner Rede fielen so abenteuerliche Sätze wie: »Die Geschichte unserer Religionen verbindet uns mehr, als die meisten Christen das wissen.« Ach! Im Übrigen sei Kern der drei monotheistischen Religionen die Friedensbotschaft. Ach so! Erst türkischstämmige Genossinnen und Islamexperten mussten ihn daran erinnern, dass er irrt und außerdem auf dem Terrain jener feiert, die im eigenen Land Menschen auspeitschen, Vergewaltigungsopfer (!) bestrafen und die Frauen ihrer Menschenrechte berauben. Auch eine Form der Landnahme: Deutsche ihres kritischen Verstandes zu berauben. Übrigens hat Bosbach recht: Die Toleranz einer Weltanschauung oder Religion erkennt man immer daran, wie die sich in Ländern verhalten, in denen sie die Mehrheit haben. Die Emirate lassen grüßen! Nebenbei erwähnt: Auch der Berliner evangelische Bischof war mit von der Partie, doch das wundert schon keinen mehr. Ein Islamexperte bilanziert: Eine solche Anbiederei hält der erlebten Praxis nicht Stand und wird dem gesellschaftlichen Frieden alles andere als dienen. Die Leute fühlen sich für dumm verkauft und rächen sich mit Kirchenaustritt oder Protestwahl. Das Ergebnis der Bundestagswahl 2017 war deshalb nur für Ahnungslose ein Schock. Es war die erwartbare logische Konsequenz für Bürger, die den Mainstream der Naiven satt sind. Mehr Beweis für Elfenbeinturm und Polit-Parallelgesellschaft bedarf es nicht: Direkt nach der Wahl, die seine sächsische Heimat-CDU hinter die AfD sacken ließ, brachte Thomas de Maizière einen islamischen Feiertag ins Spiel. Weltrekord der Bürgerferne! Der langjährige ARD-Nordafrika-Korrespondent Samuel Schirmbeck lapidar: »Ohne Islamverharmlosung von Politik und Kirchen wäre die AfD niemals aufgestiegen.« Die katholische Jugend brachte ein noch bizarreres Kunststück fertig, von Verstand keine Spur: »Alle Christen glauben an Allah«, so lauteten Plakate, zu sehen in der Universitätsstadt (!) Tübingen. Eine Universität, die im Gründungssiegel in lateinischer Sprache die Jesus-Worte hat: »Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben!« Die Aktion sollte ein gemeinsamer Aufruf zum interreligiösen Dialog sein, initiiert vom Islam-Verband DITIB und vom »Bund der Deutschen Katholischen Jugend.« Sogar SPD- und Grünenpolitiker protestierten gegen diesen Schwachsinn. DITIB gilt als verlängerter Arm der türkischen Regierung, wird vom Verfassungsschutz beobachtet – und selbst Bundesländer beziehungsweise das Islamforum der Bundesregierung, die einmal mit DITIB zusammengearbeitet haben, kehrten dem Verband den Rücken. Späte Einsicht, denn die Landnahme geht weiter.
Der verweigerte Handschlag für Frauen, von deutschen Spitzenpolitikern wie Renate Künast bagatellisiert, ist eine erfolgreiche Landnahme. Als ich in meiner Sendung darauf beharrte, sie möge mir das bitte als grüne Frauenrechtlerin und Vorkämpferin für Gleichstellung mal erklären, entgegnete sie durchaus schnippisch: »Sie stellen ja Fragen wie die AfD.« Ein berühmtes Totschlagargument, um einen in die »rechte«, in Wahrheit: rechtsextrem-nationalistische Ecke zu stellen. Kein Alleinstellungsmerkmal der grünen Partei, die anderen können das durchaus auch! Als ein besorgter Bürger, der gegen diese »Landnahme« protestiert, ist man bekanntlich schnell bei »Pegida« angesiedelt. Selbst von Rosa Luxemburg haben diese Salon-Sozis keine Ahnung: »Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden!«
Da ist das Wort Diskussionskultur endgültig zur Mogelpackung pervertiert. Ich schrieb bereits vor Jahren in meinem Bestseller Rettet das Zigeunerschnitzel : Was vor zehn Jahren noch als völlig normal galt, ist über die Stufen konservativ, rechts, rechtsradikal nun fast zum Nazi geworden. Bin ich etwa Nationalist, wenn ich diese grundgesetzwidrige »Landnahme« nicht will?! Wenn Leute sich nicht mehr trauen, im Rahmen der Meinungsfreiheit ihre Ansichten und Befürchtungen zu artikulieren, ist es Fünf vor Zwölf. Und das Schlimmste: Genau die, die durch eine für alle offene Gesprächs-Atmosphäre »Politik möglich machen sollten« (Richard von Weizsäcker), nämlich die Kirchen, schlagen mit der Moralkeule drauf, wenn man sich erfrecht die Meinung zu haben, dass der Islam eben nicht unisono eine Friedensreligion ist und wir mit unseren Traditionen nicht klein beigeben dürfen.
Paradebeispiel: Deutsche Bischöfe legen das Amtskreuz, das Symbol des Leidens und Sterbens von Jesus Christus, bei ihrem Tempelberg-Besuch in Jerusalem einfach ab und verkaufen das als Toleranz. Mogelpackung! Das ist erfolgreichste Landnahme durch vorauseilenden Gehorsam, sonst nichts. Ganz im Sinne des türkischen Despoten Erdogan, der seine Leute dazu aufgerufen hat, den Felsendom und die Al-Aqsa-Moschee, also den Tempelberg zu »beschützen.« Doch statt zum Beispiel Lehrer und Erzieherinnen vor dem Mob radikaler Jugendlicher und ihren Eltern zu beschützen, verteilt die EKD Hochglanzbroschüren gegen Fremdenfeindlichkeit. Verkehrte Welt! Aus dieser Ecke der klerikalen Ahnungslosen hört man ja auch nach jedem Terroranschlag die stereotype Gebetsmühlen-Leier: Das hat alles nichts mit dem Islam zu tun! Als wären sie einer Gehirnwäsche unterzogen worden. Dabei sagt der renommierte frühere Präses des Verbandes der Landeskirchlichen Gemeinschaften Christoph Morgner klipp und klar: »Islam hat nicht unbedingt etwas mit Islamismus zu tun; aber Islamismus hat immer etwas mit dem Islam zu tun.« Und Landnahme pur ist der bewusst missdeutbare Irrsinn deutscher Nachrichtenmedien, die den Schlachtruf der Mörder »allahu akbar« (Allah ist groß!) mit dem Wort Gott – und nicht mit Allah – zitieren. Das wiederum führt dazu, dass schlichte Gemüter den Schluss ziehen, alle Religionen seien kriegerisch und es würde sich ohne Religionen besser und sicherer leben. Oder dem naiven Kurzschluss selbst studierter Menschen mit Theologen-Abschluss, Allah und Gott, der Vater von Jesus Christus, seien ein und dasselbe. Herr, erbarme dich!
Dass die Buschkowskysche Landnahme inzwischen die deutsche Rechtsprechung erfolgreich erobert hat, lässt einen geradezu verzweifeln. Da bekommen islamische Schläger geringere Strafen, »weil das doch in ihrer Kultur eine Verteidigung der Familienehre ist.« Wo Grundgesetz draufsteht steckt Scharia drin. Mogelpackung! Eine arabischstämmige Frau wurde mit ihrer Vergewaltigungsklage abgeschmettert, »weil das doch in ihrem Kulturraum kein Delikt ist.« Wenn es um Landnahme geht, ist jedes Mittel recht. Denn die »Eroberer« können sich ja auf eins felsenfest verlassen: aus dem betroffenheits-duseligen Deutschland in seiner willkommens-kulturellen Seligkeit ist kaum mit Widerstand zu rechnen.
Ein Alarmruf, der das politische Sicherheitskonzept der Regierenden als Mogelpackung entlarvt: Der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel, immerhin Vorstand der Vereinigung Berliner Staatsanwälte, sieht bereits unseren Rechtsstaat gefährdet. Ein Mann, der es wissen muss. Diese dramatischen Warnungen vor existenzbedrohenden Missständen sind also längst kein Privatthema einer neu gegründeten Partei. Es stimmt, was der SPD-Mann Heinz Buschkowsky prophezeit: Es kommt der nächste Prozess und dann der übernächste und dann sind wir des Kämpfens müde. Und der Hardcore-Islam hat Geduld und langen Atem, ganz im Sinne Erdogans, der offen und unverhohlen bei einer Kundgebung in Köln dröhnte: Wir werden Euch bevölkerungspolitisch in die Knie zwingen. Diese schreiende Naivität, das nicht hören und ernst nehmen zu wollen, tut weh. Toleranz wird zum Tollhaus. Auf ein solches Tollhaus-Phänomen weist Hans-Ulrich Jörges in einer STERN-Kolumne hin. Ich schätze ihn als Unabhängigen, denn er kann und konnte auch anders, lässt sich aber von den Realitäten überzeugen: »Der Islam hat mit dem Terror der Islamisten nichts zu tun? Das, Ihr Muslime, glaubt Euch niemand mehr. Denn die Terroristen kommen aus Euren Moscheen, sie zitieren aus Eurem Koran, und sie führen den Namen Eures Gottes auf den Lippen, wenn sie morden und sterben. ›Das ist für Allah!‹, riefen jüngst die Messerstecher von London.«