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Brief aus Brüssel

Maßnahmen für eine Zukunft mit Kindern

By 8. Juli 2015März 1st, 2022No Comments
Aufsatz des Monats, 2015 / Juni, 08.07.2015

Bei folgendem Aufsatz handelt es sich um eine leicht gekürzte Fassung des Schlusswortes bei der Soiree, die das iDAF zusammen mit der Konrad-Adenauer-Stiftung in der Handwerkskammer in Mainz am 9. Juni veranstaltet hat. Eine Film-Dokumentation aller Vorträge der Soirée ist auf Youtube und auf der Homepage des iDAF zu sehen.

Liebe Interessenten an der alternden Gesellschaft, liebe Teilnehmer dieses Symposiums,

Wir haben gerade recht engagiert zwei gute Stunden über ein Thema diskutiert, das bei aller Bescheidenheit mindestens ebenso wichtig ist wie der G7-Gipfel von Elmau. Der Unterschied liegt nicht nur darin, daß der heutige Abend vielleicht insgesamt fünftausend Euro kostet, der G7 Gipfel dagegen um die 300 Millionen, sondern auch darin, daß ein globales Thema, die Erderwärmung, erneut auf die Agenda internationaler Politik und Handlungsmaximen gehievt wurde, insbesondere in den Industriestaaten Europas und Nordamerikas, während die Alterung der Erdbevölkerung, auch insbesondere in Europa und Nordamerika, nur in relativ kleinen Zirkeln erörtert wird, eben wie heute Abend. Dabei ist das Thema genauso wichtig. Es geht  natürlich nicht darum, die beiden Themen gegeneinander auszuspielen, das wäre kindisch. Es darf aber erlaubt sein zu fragen: Wäre es nicht auch der Mühen der Edlen in Politik und Medien wert, sich ähnlich wie die Zwei-Grad-Grenze auch ein Ziel für die Bevölkerungspolitik zu stecken, etwa eine Geburtenquote von zwei Kindern, was in etwa dem Erhalt einer ausgeglichenen Bevölkerung entspricht. Uns allen hier ist schon klar, daß man dabei differenzieren muss und ein wenig Differenzierung ist heute Abend trotz der knappen Zeit ja auch dank der Expertise von Prof. Birg gelungen. Auch was die Politik zu tun hätte, wurde dank der Erfahrung von Ministerpräsident Erwin Teufel angesprochen und dank der drängenden Fragen des JU-Vorsitzenden  Paul Ziemiak auch thematisiert.

Es müssen natürlich noch viele Schritte folgen. Aber anders als beim Thema globaler Erderwärmung kann man dieses Problem der Alterung auch in überschaubaren Territorien einer Lösung zuführen. Es ist nämlich nicht nur eine gesellschaftliche, sondern auch eine politische Frage, die mit Maßnahmen beantwortet werden könnte, die sehr schnell andere Rahmenbedingungen für Familien und Familiengründung schaffen würden. Über allem steht die Forderung, echte Wahlfreiheit zu schaffen, was auch das Bundesverfassungsgericht fordert und dazu wären zum Beispiel folgende Maßnahmen geeignet, wovon einige auch heute Abend hier genannt wurden:

–      die Lohnabhängigkeit  bei den Sozialabgaben aufheben und alle Einkommen sozialpflichtig machen und damit die Verteilung von unten nach oben umkehren und die Sozialkassen nachhaltig füllen;

–      die Urteile des BVG ernst nehmen und den „generativen Beitrag“ der Eltern mit den finanziellen Beiträgen nicht nur bei der Pflege-, sondern auch bei der Renten- und Krankenversicherung verrechnen; dazu hat Dr. Borchert dankenswerterweise hier einiges ausgeführt;

–      das Existenzminimum für Kinder in voller Höhe steuerlich freistellen und entsprechend auch das Kindergeld erhöhen;

–      die gesellschaftlich relevante, ja unverzichtbare Erziehungsarbeit der Eltern honorieren und das Betreuungsgeld, das eigentlich Erziehungsgeld heißen sollte, auf europäische Standards (300 bis 500 Euro) erhöhen;

–      die mit Blick in die Zukunft sinnlose Objektförderung auf Subjektförderung umstellen, so wie die Franzosen es machen. Konkret: Weniger in Planstellen, Kitaplätze (die in ein paar Jahren leer stehen werden) und Gebäude investieren und stattdessen den Eltern das Geld in die Hand geben;

–      vor allem Sprünge bei der Förderung für das dritte Kind einbauen, sei es beim Kindergeld oder in der steuerlichen Erleichterung, denn angesichts der gerade in Deutschland um sich greifenden gewollten Kinderlosigkeit (hier sind wir Weltmeister) muss man die kinderreichen Familien besonders fördern;

–      Prämien für Geburten einführen (siehe Zypern oder Frankreich), auch wenn einige Politiker gleich mit Nazi-Vokabeln dagegen protestieren. Man könnte das ja Willkommensprämie nennen, ähnlich wie bei der Wiedervereinigung vor 26 Jahren;

–      eine Mütterquote propagieren und Firmen, die bevorzugt Mütter (bei gleicher  fachlicher Kompetenz) einstellen, nicht nur mit einem Aufkleber belohnen. Das hat Prof. Birg nachdrücklich bei der Diskussion betont;

–      das Familienwahlrecht einführen, wofür Dr.Teufel heute Abend gute Argumente genannt hat;

–      ein Steuergutschriftmodell einführen, was Paul Ziemiak in der Diskussion vorgeschlagen hat.

Solche Maßnahmen kosten Geld, sind aber eine Investition in die Zukunft und sicher billiger als die Bankenrettungsprogramme der EU. Kosten werden wir sowieso haben und haben sie schon jetzt. Rente, Gesundheit und Pflege werden wegen der Alterung in Deutschland in zehn Jahren zu einer Mehrbelastung von bis zu einem dreistelligen Milliardenbetrag und in den nächsten 40 Jahren sogar zu einer Mehrbelastung von mehr 400 Billionen (!) Euro führen. Das hat die EU-Kommission errechnet und vor ein paar Wochen in einer Studie veröffentlicht. Wie üblich erregte diese Studie, obwohl sie de facto den Zusammenbruch des Sozialsystems in Deutschland voraussagt, kaum Aufmerksamkeit. Das gehört zum Verdrängungsmechanismus des politisch-medialen Establishments, über den wir heute Abend auch  diskutiert haben. Schon heute beträgt übrigens der steuerfinanzierte Zuschuss zur Deckung des Rentendefizits der gesetzlichen Rentenversicherung bereits über 80 Milliarden Euro pro Jahr und hinzu kommen Zuschüsse zur Pflegeversicherung und Krankenversicherung. Schon heute haben wir also einen dreistelligen Betrag, denn, so Professor Birg, zu bedenken sei auch, dass unser jährliches Wirtschaftswachstum um einen ganzen Prozentpunkt niedriger ist, als es wäre, wenn wir eine stabile demografische Entwicklung hätten. Ein Prozentpunkt vom Bruttoinlandsprodukt sind auch wieder 30 Milliarden Euro, die uns jährlich entgehen. Entsprechend hoch sind die entgangenen Steuereinnahmen. Was die Kommission also für die Zukunft voraussagt, ist schon heute Realität.

Viel ist und war auch heute Abend wieder von Geld die Rede. Eine Folge des demographischen Schwunds aber wird im öffentlichen Diskurs praktisch nie erwähnt, heute Abend hat es Paul Ziemiak in die Frage gekleidet: Wie sieht die Gesellschaft mit weniger Kindern aus? Die Antwort ist: Emotional arm. Auch darüber, über die emotionale Verarmung in diesem Land muss man nachdenken. Denn das wusste schon Novalis: „Wo Kinder sind, da ist ein goldenes Zeitalter“. Es kann bei diesen Fragen nicht nur um Geld gehen.

Der frühere Ministerpräsident, Kurt Biedenkopf, hat die demographische Frage schon vor knapp zwanzig Jahren als existentiell für Deutschland und Europa bezeichnet. Es war ein Signal, etwas zu tun. Aus diesem Impuls heraus ist auch das Institut für Demographie, Allgemeinwohl und Familie gegründet worden. Dieses Institut funktioniert wie ein Fact-tank, wir vermitteln Fakten und Zusammenhänge, die in den Medien so nicht genannt werden. Alles ist transparent und verifizierbar. Das Institut lebt von Spenden und von seiner damit verbundenen inhaltlichen Freiheit. Wer mehr wissen will, gehe bitte auf die Webseite.

Wichtig ist mir heute Abend, Ihnen zu danken, daß Sie Interesse für dieses existentielle Thema zeigen und gekommen sind, auch den Referenten möchte ich danken, daß Sie sich für Familie und eine Politik einsetzen, die mehr Gerechtigkeit schafft und mehr Zukunft. Sie sind so eine Art Avantgarde. Solange es Leute wie Sie und solche Referenten gibt, gibt es auch Hoffnung. Vielleicht landet unser Thema ja auch mal auf einem G7-Gipfel.